Zum Inhalt springen

Boxen…

17. Juli 2010

Die internationalen Boxweltmeisterschaften im Fliegen-, Mittel- und Schwergewicht. In der blauen Ecke steht Regina Halmich und in der roten Ecke Dr. Hans Klitschko. Ein etwas unfairer Kampf, denn Frau Halmich gibt schon nach zwei Treffern durch Hans auf. Abbruch in der ersten Runde. Kurzer Zeit später stehen sich der Champion Paul Müller und Hans Klitschko gegenüber. Der Gong ertönt und Dr. Klitschko packt seine Rechte aus und donnert Paul voll auf den Thorax. Einem zweiten Schlag weicht Paul reflexartig aus und nimmt die Deckung höher. Die beiden Kontrahenten tänzeln durch den Ring, beiden gelingt in den verbleibenden Sekunden kein Treffer mehr. Der Gong zur zweiten Runde ertönt und wieder gelingt Dr. Hans Klitschko ein Treffer. Paul Müller sieht man das Adrenalin aus den Augen treten. Durch den Ringrichter werden beide Treffer aber nicht gewertet, was Dr. Faust in Rage versetzt. Paul Müller drängt Klitschko in die Ecke, der jetzt zu treten und beißen anfängt, was empörte Zuschauerreaktionen hervorruft. Nur zwei Herren in dunkelblau können Dr. Faust bändigen…

Paul wacht mitten in der Nacht auf… was war denn das für ein Traum!? Ein Traum war es nicht wirklich, denn so ähnlich verlief der letzte Einsatz, den ich gefahren bin.

Ein sonniger Tag auf der Wache. Wir verbringen die erste Stunde mit Kaffee trinken und Kippchen rauchen. Da wir aber langsam Hunger bekommen, wollen wir gleich zum nächsten Bäcker fahren. Daraus wird aber nichts, denn der Melder bimmelt zu einem Einsatz. Es geht in den Nachbarort, ein abgelaufener Krampfanfall erwartet uns. Unsere Leitstelle spricht uns an, dass unser Patient wohl etwas aggressiv ist und wir erst mal solo ohne Polizei unterwegs sind. Na super, denken wir uns, aber vielleicht ist es ja alles halb so schlimm. Wir werden von der Ehefrau empfangen und in den ersten Stock geschickt. Dabei erzählt sie uns, dass ihr Mann einen generalisierten Krampfanfall hatte, jetzt ziemlich wesensverändert und aggressiv ihr gegenüber wäre. Wir versuchen unseren Patienten zu untersuchen, was er jedoch energisch ablehnt. Der Mann läuft durch mehrere Zimmer, dann möchte er in das Erdgeschoss. Seine Frau stellt sich ihm in den Weg, was er mit einem Fausthieb gegen ihren Oberkörper beantwortet. Meine Antwort darauf ist, dass ich den Patienten von seiner Frau wegschubse und versuche seine Hände festzuhalten. Meine Kollegin kümmert sich um die Ehefrau und bleibt in Rufdistanz. Obwohl mein Patient doppelt so alt ist wie ich, entwindet er seine Hände und ich bekomme eine volle Breitseite ab. Eigentlich bin ich niemand, der seine Patienten körperlich angeht, aber jetzt bleibt mir keine Wahl, ich stürze mich auf den Mann und wir landen in einem Sessel. Meine Kollegin eilt mir zu Hilfe und gemeinsam drücken wir ihn runter und können ihn so erst einmal unter Kontrolle halten. Meine Kollegin ruft unverzüglich über ihr Handy unsere Leitstelle an und fordert die Polizei an. So verharren wir, unser Patient versucht derweil zu beißen und zu treten. In dem Moment, in dem die Kollegen in Dunkelblau eintreffen, ist der Mann gerade ein bisschen friedlicher. Ihre Blicke gucken fragend, was ruft ihr uns, der ist doch friedlich. Nachdem unser Patient nun auch nach unseren Kollegen in Dunkelblau getreten und geschlagen hat, klatscht es erst einmal, aber keinen Beifall.

Auch die noch angelegten Handschellen hindern Dr. Faust nicht, weiter wild krackelend und mit den Füßen tretend unsere Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen. So bekommen wir ihn nicht zum Rettungswagen. Deshalb fordern wir über die Leitstelle unser NEF nach. Unser Akademiker verabreicht 15 mg Dormicum, was einen Elefanten in Tiefschlaf versetzen würde, aber unseren Patienten interessiert das die ersten fünf Minuten gar nicht. Doch dann wirkt das Wundermittel und wir können ohne Polizei unseren Patienten dringend in das nächste Krankenhaus mit CT fahren.

13 Kommentare leave one →
  1. Julian Ronczka permalink
    17. Juli 2010 19:46

    Hey,

    das habe ich auch schon 1-2 mal erlebt, allerdings nicht ganz so extrem. Sind dir irgendwelche Untersuchungen bekannt, in wievielen Fällen eine solche Wesens- bzw. Verhaltensveränderungen statt findet? Nur mal so interessehalber.

    Gruß Julian

    • 17. Juli 2010 23:09

      Hallo Julian,

      willkommen auf meinem Blog. Mir sind keine derartigen Untersuchen in dieser Richtung bekannt. Es war auch bisher der einige Einsatz, der so abgelaufen ist. Bei einem hypoglykämischen Patient ist mir das aber auch mal passiert.

      Gruß

      Paul

  2. Freak permalink
    18. Juli 2010 11:29

    Wahrscheinlich war jemand so clever den Herrn zu wecken, ich bin nach Grand Mal Anfällen ähnlich aggressiv wenn man mich weckt und mir Stress macht. Lässt man mich schlafen hab ich nur „’nen Kater“.
    Leider wird sowas ja nicht gelehrt und man hat mir auch schon die Polizei auf den Hals gehetzt- weil ich ausgetickt bin nachdem mir ein erwachsener Mann ins Gesicht geschlagen hat und auf mir saß. Klar, der Sani wollte mein Bestes, aber ich hab mich einfach nur bedroht gefühlt.

    • 18. Juli 2010 12:12

      @Freak

      da bin ich leider überfragt, ob da ein Zusammenhang besteht, aber möglich ist alles. Als Rettungsdienst müssen wir halt schaun, wie weit der Patient weg ist, und deswegen wird der Patient auch „geweckt“ wenn es sich nicht vermeiden lässt. Aber ich kann dich gut verstehen, ich würde da auch agro werden. Bei einem Patient vermute ich aber einen anderen Hintergrund.

  3. 18. Juli 2010 16:05

    Ich muss mal ganz kurz fragen: 15 MG DORMICUM???!!!?????

  4. Freak permalink
    18. Juli 2010 17:08

    Naja, nachdem ich ausgetickt bin wollten die mich auch ruhigstellen mit ’ner großen „Elefantendosis“ was weiß ich nicht was- leider hat mir keiner geglaubt dass ich paradox auf Beruhigungsmittel reagiere und Blutdruck und Puls sind fast explodiert, so laut meinem mitfahrenden Freund. Ich hab zum 2. Mal an dem Tag das Bewusstsein verloren.
    Seitdem hab ich ’ne gewisse Angst vor Rettungswagen…

  5. 18. Juli 2010 22:20

    Hm…. Aber (vorher unbekannte) epileptische Anfälle + Wesensveränderungen im Sinne von Aggression und/oder Depressionen sind doch auch häufig Anzeichen für Tumore/Blutungen uä links temporal, oder? *nimmer recht weiß*

  6. 19. Juli 2010 20:25

    hey wow, ich bin begeistert!
    du sprichst wahre Worte wohl gelassen aus 😉
    ich werde dein blog mal mit meinem verlinken, einfach weils so witzig ist. ich bin zwar nur hobby (also ehrenamtlicher) Mini-Pflasterkleber, habe aber demnächst in diesem Theater auch mein Wachenpraktikum für 80h und naja, mal sehen. Jedenfalls danke für den Vorgeschmack 😉

    liebe Grüße und eine schöne Schicht
    Jule

    • 19. Juli 2010 21:24

      Hallo Jule 🙂
      Danke für dein Lob 🙂 Auch übers verlinken freue ich mich. Deinen Blog werde ich mir mal in einer ruhigen Minute zur Gemüte führen..man ist ja so im Stress in meinem Job 🙂 Freut mich sehr, wenn man anderen einen Einblick in seinen Beruf ermöglichen kann.

      LG Paul

  7. Anni permalink
    19. Juli 2010 20:30

    hey Paul,
    meli hat gesagt das ich dir unbedingt mal einen Kommentar auf deinem blog hinterlassen soll *gg* hier ist er nähmlich mit einer Frage.
    Darf man eigentlich, wenn man weiß das der patient so drauf ist ohne Polizei zu dem patienten hin ??? Also wir sollen immer auf die Polizei waren aber wir sind ja auch nur SanHs und nicht RA ist das bei euch dann anders ??

    Liebe grüße
    Anni

    • 19. Juli 2010 21:30

      Hey Anni 🙂

      es hat geklappt 🙂 Die Frage lässt sich nicht pauschal beantworten. Bekommt man vorher Informationen, die darauf schließen lassen, das es zu gefährlich für uns ist, werde ich draußen schön warten, bis die Herren in Dunkelblau die Situation überprüft haben. Auch wenn da jemand sterbend im Hausflur liegt. Manchmal weiß man aber von dieser Situation gar nichts, oder sie stellt sich anders da wie hier, dann gibts die Möglichkeit zu fliehen oder wie hier passiert zu überwältigen im Rahmen der Notwehr.

      LG Paul

  8. Special Agent Gibbs permalink
    19. Juli 2010 23:42

    Ich hatte zwar bisher auch schon mit renitenten Patienten zu tun, aber so schlimm war es dann doch noch nie gewesen! Zum Glück ist dir nichts passiert 🙂 !

Hinterlasse eine Antwort zu Special Agent Gibbs Antwort abbrechen