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Vom Retter zum Geretteten Teil 3…

4. Juni 2013

Einfach mal erklären was man tut

 

Da ich komplett bewegungsunfähig auf einer Wechseldruckmatratze lag, musste ich spätestens alle 3 Stunden gelagert werden. An einem Tag wurde ich von einem noch jüngeren aber sehr netten Pfleger gelagert als ich plötzlich die beiden verbotenen Worte hörte: Oh Sch…..! Ich wurde sofort hellhörig und schaute den Pfleger ängstlich an. Er fragte mich ob ich nichts gemerkt hätte, ich verneinte. Er erklärte mir, dass er beim Lagern versehentlich den ZVK gezogen hatte und drückte gleichzeitig auf die Einstichstelle. Mir wurde schlecht, auch das noch. Nun gut, ändern konnte ich es eh nicht mehr. Er sagte mir dann, da es schon so spät war, dass ich gleich einen i.v. Zugang bekomme und morgen ein neuer ZVK gelegt werden würde. Was sollte ich schon machen? Was sein muss, muss sein…

Der Morgen kam und der Arzt auch. Er sonografierte meine Jugularis interna an der rechten Seite, sie ließ sich sehr schön darstellen. Jetzt wurde mir einfach ein Tuch über das Gesicht gelegt. Man hätte mir wenigstens Bescheid sagen können, jetzt hatte ich wieder Angst. Ich riss das Tuch herunter und machte klar, dass ich gerade Panik habe. Erst jetzt erklärte man mir alles und legte das Tuch erneut über mein Gesicht. Jetzt konnte ich nur noch hören was geschah…“Oh ja, schau mal hier, hier kann ich reinstechen. Die Jugularis lässt sich richtig gut darstellen…“ Der Arzt betäubte eine Stelle, dies teilte er mir auch kurz vor den 2 Einstichen mit. Aber kurz bevor er loslegen wollte, änderte er den Punktionsort. An der neuen Stelle betäubte er nicht. Der ZVK wurde also gänzlich ohne Lokalanästhesie gelegt. Ich kann euch eins sagen, das sind Schmerzen. Unter Sonokontrolle schob er den ZVK ganz langsam vor bis er endlich richtig lag. Dann nähte er ihn fest. Ich war nicht in der Lage dem Arzt mitzuteilen was ich gerade im Moment von ihm hielt. Ich wollte das gerade Erlebte einfach nur verdrängen. Wenig später kam ein Pfleger rein und erklärte mir, dass er mich gleich von der Beatmung nehmen würde und ich dann selber atmen muss. Er würde aber bei mir bleiben und falls es nicht klappt, mich auch wieder an die Maschine hängen (übrigens ne Hamilton S1). Er erklärte mir wirklich jeden Schritt und obwohl ich eigentlich weiß wie man die Gänsegurgel abnimmt, war ich doch froh, dass er so ausführlich war. Da ich schon ein bisschen am Brodeln war, saugte er mich auch gleich noch mal ab, aber nicht ohne mir auch das vorher zu sagen. Dennoch hasste ich das Gefühl. Es war ein unglaublich ekelhafter Hustenreiz der bei jedem Absaugen ausgelöst wurde. Wirklich fies! Aber die Erklärungen waren sehr vorbildlich… . Der erste Atemzug war unglaublich schwer. Je mehr Atemzüge ich allerdings machte, desto leichter wurde es. Das war auch in der Folgezeit so. Der erste Atemzug fiel mir immer wieder schwer. Nachdem der Pfleger sah, dass es scheinbar gut klappte, machte er mir die feuchte Nase drauf. Während ich nun vor mir her schnaufte, füllte der Pfleger die Perfusoren wieder auf und erledigte EDV Arbeiten. Nach ca. 30 Minuten (geschätzt) schloß er mich wieder an die Hamilton an. Er sagte mir, dass wir das jetzt jeden Tag machen werden und vor allem immer ein bisschen länger. Ich dankte ihm und freute mich auch ein wenig denn ich wollte so schnell wie möglich wieder selbst atmen können.

Knapp 5 Wochen künstliches Koma und weitere Schocknachrichten

Irgendwann am Nachmittag kam meine Mutter zu Besuch. Wir unterhielten uns oder besser sie unterhielt mich und ich nickte ab. Immerhin konnte ich meinen Arm nun etwas bewegen. Aber Beine und Oberkörper – unmöglich. Critical illness myopathie – eine Krankheit die niemand braucht… Irgendwann fragte sie mich, ob ich denn schon weiß, wie lange ich weg war. Ich verneinte und sie machte mir klar, dass man mich knappe 5 Wochen schlafen gelegt hatte. Mein Gott, ich war 5 Wochen weg? Ich fing an zu weinen, meine Mutter allerdings auch. Sie erzählte mir wie die Ärzte ihr klar machten, wie es tatsächlich um mich stand und das 3 Wochen nicht klar war ob und wenn ja wie ich das ganze überstehe. Das muss für Angehörige das reinste Grauen sein. Ich beruhigte mich und versuchte ihr klar zu machen Hey, shit happens, ich lebe und ich habe auch nicht vor daran etwas zu ändern. Nach einer Weile ging sie dann wieder. Die Zeit verging, dann und wann wurde ich gelagert. Ein Zeitgefühl hatte ich nicht, ich lag ja eh die ganze Zeit. Inzwischen hatte ich den Entzug aber überstanden und mir ging es den Umständen entsprechend gut als der nächste Schlag kam. Das Personal kam plötzlich vermummt in mein Zimmer. MRSA! Na wunderbar, blieb ich denn vor nichts verschont?

Naja, immerhin war ich wohl nur Träger. Die Physios konnten ihre Arbeit jedenfalls weiter machen wenn auch vermummt. Da meine Temperatur an einem Tag allerdings stieg, entschied man sich doch etwas gegen den Keim zu unternehmen. Ich bekam also mal wieder einen Antibiotikamix.

Manchmal kann Fachwissen auch weiterhelfen

Ein paar Tage später, konnte ich meine Arme dank der Krankengymnastik immer besser bewegen. Plötzlich fing es in meinem Darm an zu rumoren. Inzwischen war ich soweit, dass ich den Schwesternknopf selbst drücken konnte was ich auch tat. Aber es kam niemand. Nach einer gefühlten halben Stunde überlegte ich, was ich tun sollte, ich konnte ja nicht einfach ins Bett machen aber einhalten ging auch nicht mehr lange. Die Abführmittel zeigten Wirkung. Eine sehr peinliche Situation. Da ich meine Arme inzwischen relativ gut bewegen konnte griff ich an die Gänsegurgel und versuchte sie abzuziehen. Mit äußerster Kraftanstrengung gelang mir das auch nach einiger Zeit. Das ich auch ohne Maschine klar kam, wusste ich ja bereits. Ich legte mir die Gänsegurgel auf die Brust und da kam auch schon der Alarm. Hehe, der Pfleger kam förmlich angerannt. Ist wohl abgegangen versuchte ich ihm zu erklären. Aber wenn er gerade einmal da ist, ich müsste dringend mal auf die Pfanne. Endlich bekam ich das was ich brauchte, er brachte mir die Bettpfanne und so konnte ich mich endlich erleichtern. Dieses Vorgehen machte ich insgesamt 3-4 mal und immer habe ich gesagt, dass es einfach abgegangen war. Tatsächlich ist die Gänsegurgel auch hin und wieder von selbst abgegangen, somit kam nie der Verdacht auf, dass ich es extra gemacht hatte. Die Zeit verging weiter, die Beatmungsentwöhnung zeigte immer bessere Erfolge. Inzwischen, es war ca. Mitte der 2. Woche konnte ich 6 Stunden ohne Gerät bleiben. Ich bekam eine Sprechkanüle und konnte mich endlich auch mit Angehörigen und Pflegern unterhalten. Allerdings ist das unterhalten durch die Sprechkanüle sehr anstrengend und Abhusten klappt damit auch nicht. Also musste ich zwischendurch immer mal wieder abgesaugt werden. Wie ich dieses Gefühl hasste… aber das sagte ich ja bereits. 

12 Kommentare leave one →
  1. 4. Juni 2013 11:27

    Ein ZVK ohne Betäubung… keine Reaktion auf Rufknopf? …. Was war denn das für ein Saftladen? Sorry das ich das mal so sagen muss.
    Absoluter Horror!

  2. BRC_MEDIC permalink
    4. Juni 2013 13:40

    Abgesehen von der Horrorerfahrung, zeigt es doch, das gerade Infos fuer den Patienten wichtig sind. Wenn ich jemanden behandle dann versuche ich ihm mitzuteien was ich vorhabe, besonders dann wenn es unangenehm wird (Reinigen von Wunden).

    Danke das dies (noch-)mal ins Bewustsein gerufen wurde.

  3. euro79 permalink
    4. Juni 2013 14:47

    @machermama: und das auf einer Intensivstation…nur was hätten die auch machen sollen, ist ein Pfleger ausgefallen so musste halt ein anderer bis zu 6 Patienten pflegen. Laut einigen Pflegern ist das da leider keine Ausnahme sondern eher die Regel. Zum ZVK: hätte ich gekonnt, wäre mir vermutlich die Hand ausgerutscht. Aber das war ja noch nicht alles. 1 Tag später kam ein anderer Arzt und wollte mir einen neuen an der j. Externa legen weil der alte ja angeblich schon so lang drin war. Erst nachdem der Pfleger auf mein Drängen hin im Pflegebericht nachgeschaut hat, glaubte man mir das der ZVK schon neu war. Der durchführende Doc vom Vortag hatte es vergessen zu dokumentieren (der Pfleger gottseidank nicht) und hat bei der Übergabe auch nichts davon erwähnt. Ich würde in dieses KH auch nicht mehr rein wollen…da herrscht nur Chaos. Auch wenn das aufnehmende Krankenhaus nur ein Haus der Grundversorgung war, so fühlte ich mich dort am wohlsten. Hier hat man sich gekümmert und im Uni Klinikum lt. Erzählungen auch.

  4. seelenteil permalink
    4. Juni 2013 19:18

    es tut mir echt leid, wenn ich das lese! ich habe bisher auch NUR (bis auf einimal, das muss ich echt als ausnahme erwähnen) solche erfahrungen gemacht. auch auf der intensivstation. und auch, aus lauter bosheit – einfach so. das will immer keiner glauben oder hören. aber es ist wahr. ich habe mich schon oft gefragt ob menschen solche berufe wählen, weil sie so gern andere quälen – es müsste andersherum sein! eigentlich glaube ich das auch. dennoch ist es auffallend oft, das man als patient eher gefoltert wird, als das man hilfe oder zuwendung bekommt. ist wirklich den menschen die da arbeiten nicht klar wie man sich fühlt? würden sie ihr eigenes kind so behandeln? zb mit dem tuch….einfach über das gesicht…das kann einen menschen mit einer seelischen vorerkrankung auch den letzten rest geistiger gesunheit kosten. ich hoffe das es eine menge leute gibt, die mir gegenteilige erfahrungen bestätigen können und das ich immer nur pech hatte.

    • Angsthase permalink
      5. Juni 2013 00:19

      Hab leider die gleichen Erfahrungen gemacht mit nur sehr wenigen Ausnahmen. Daher auch meine massive Arztphobie inzwischen. 😦 Bei mir ist inzwischen die Angst vorm Tod weitaus weniger groß als die Angst vor medizinischer Hilfe.

      • seelenteil permalink
        5. Juni 2013 16:22

        reich mir die patsche! hoffe wir lernen hier voneinander. die helfer und wir.

  5. 4. Juni 2013 22:33

    Danke für die Geschichte, so haarsträubend sie teilweise ist … Weiterhin gute Genesung.

  6. 5. Juni 2013 12:29

    Danke für die offene Weitergabe deiner Gefühle und schön dass du auf dem Weg der Besserung bist!
    Es bestärkt mich, darin meine Maßnahmen im Rettungsdienst zumindest ordentlich anzukündigen und zu fragen ob der Patient weiß was das ist (ich erkläre Blutdruckmessen, EKG kleben und das Pulsoxy nur, wenn der Patient sagt er weiß nicht was es ist), aber ich sage immer was ich als nächstes mache. Seit ein Freund von mir mal von seiner „Bewustlosigkeit“ eigentlich eher nicht ansprechbarkeit berichtet hat, bei der er alle Maßnahmen seiner Kollegen mitbekommen hat und sogar die Stimmen erkannt hat, aber sich nicht äußern konnte, lege ich Wert darauf. Seltsamerweise habe ich dabei immer den Eindruck die Patienten lassen sich einfach in unsere Obhut fallen.

    • seelenteil permalink
      5. Juni 2013 16:22

      dann wäre es für mich ein glück dein patient zu sein. ich lasse mich nicht in die obhut fallen, würde gerne aber habe massive panik. tut mir auch immer leid…. es klingt so als würdet ihr helfer alle böse sein, so mein ich das nicht!

      • Angsthase permalink
        5. Juni 2013 19:32

        geht mir ganz genauso! Sobald ich merke, daß man mich und meine Angst ernst nimmt und damit gut umgeht bin ich auch als Pat. deutlich kooperativer. ansonsten mach ich inzwischen komplett dicht. Daher versuch ich auch immer, wenn ich „auf der anderen Seite“ bin (als Sani) entsprechend mit den Leuten umzugehen.

  7. seelenteil permalink
    5. Juni 2013 21:16

    @Angsthase: echt? du kannst beides? also sani als beruf und da auch „normal“ arbeiten und selber hast du angst wenn du patient bist? ich hab großen respekt! ich selber bekomme wirklich schon ein mulmiges gefühl, wenn ich einen krankenwagen sehe/höre und habe auch die rettung selber viel zu spät gerufen weil ich angst habe bzw mein mann hat hemmungen, auch wenn mit mir etwas nicht stimmt diese nummer zu rufen, weil er weiß, wie schlimm das für mich ist und man eben nicht immer gut mit umgeht. sagen tut er oder ich immer was, also erklären, dass ich wirklich panik bekomme und dass man sehr sanft mit mir umgehen muss. tut man das, bin ich glaub ich einer der zuvorkommensten patienten! echt jetzt!

    • Angsthase permalink
      5. Juni 2013 21:57

      Die Panik beim Anblick von Rettungswagen, Ärzten & Co hatte ich früher auch. Hab immer einen riiiiesen Bogen um diese „Spezies“ gemacht. Ich bin aber über meine ehrenmatliche Tätigkeit „zwangsweise“ in engeren Kontakt mit dem Rettungsdienst gekommen und hab dann eine Sani Ausbildung machen müssen, da dies die Vorraussetzung für mein Ehrenamt war. War auch echt hart für mich die erste Zeit, aber ich hab dann viele sehr nette Sanis dabei kennengelernt und gemerkt, daß mir diese Tätigkeit superviel Spaß macht, zumal ich da die Möglichkeit hab eben ängstlichen Leuten quasi doppelt zu helfen: medizinisch und psychisch. Inzwischen kann ich das ganz gut trennen, als Sani machts Spaß und als Patient kann ich zum Alptraum werden, wenn man nicht auf mich eingeht weil ich dann die Panik eben nicht mehr kontrolliert bekomme. Geht man auf mich ein klappts inzwischen ganz gut das ich dann nicht austicke.

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