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Leben retten…

1. Oktober 2010

Kormark und ich haben die letzten Tage auf Twitter über einen Einsatz geschrieben, den ich gehabt habe, und er darauf meinte „wir retten einige…aber nicht alle“ Ich stimme ihm zu, gehe aber sogar noch ein Schritt weiter. In den Jahren, seitdem ich meinen Job mache, hat sich das Bild des Rettungsassistenten, was ich in meiner Ausbildung hatte, doch gewandelt. Wieso und weshalb, das möchte ich euch hier erzählen.

Als Paul am Anfang seiner Ausbildung stand,  da dachte er,  er könnte mit seinem Wissen Menschenleben retten. Aber retten wir wirklich Menschen? Oft hört man unter Rettern dies Wort, weil man mal wieder eine primäre erfolgreiche Reanimation hatte oder den lebensgefährlich Verletzten noch lebend in den Schockraum gebracht hat. Wir haben hier in Deutschland eine grundsolide Ausbildung,  gute Medizintechnik und Fahrzeuge. Trotzdem sterben immer noch so viele Menschen am Herzinfarkt oder anderen Krankheiten. Von den etwa 50 Reanimationen, die ich bis heute hatte, hat es nur einer wirklich geschafft, das Krankenhaus auf eigenen Füßen zu verlassen. Und gerade die Reanimation ist das meist geübte Szenario. Ich weiß gar nicht mehr, wie oft wir unsere Puppen geschockt, intubiert und bedrückt haben. Auch heute muss ich jedes Jahr mindestens eine Reanimationsprüfung machen, um weiter als Rettungsassistent arbeiten zu dürfen.

Gerade bei dem Einsatz, den ich mit Kormark besprochen habe, lief alles, wie man es sich als RD´ler wünscht. Unsere Leitstelle hat mit dem Angehörigen eine Telefonreanimation gemacht. Wir haben nur knapp 7 Minuten  gebraucht, bis wir dort waren. Der Angehörige hat wunderbar gedrückt, bis wir unsere Materialien gerichtet hatten und wir ihn abgelöst hatten. Nur 2 Minuten später traf unser NA ein, bis dorthin war der Patient intubiert und hatte einen i.v. Zugang. Weitere 5 Minuten später hat der Mann seine Lyse bekommen. Aber auch nach über 60 Minuten Reanimation zeigte sich keine Reaktion, er hat dabei alles bekommen, was uns zur Verfügung stand, eine vorbildliche Rettungskette, Laienreanimation, schnelles Eintreffen, neuste Technik, Medikamente und uns. Trotzdem war alles vergebens, denn trotz dieser Unterstützung konnte der Mann nichts damit anfangen, weil er doch zu krank war.

Als ich meine Ausbildung begann, war ich doch noch recht grün hinter den Ohren. Klar hatte ich durch die Tätigkeit bei der Feuerwehr schon einen kleinen Einblick in das Leid anderer bekommen, aber so wirklich interessiert und berührt hat es mich nicht. Damals war es eher einfach cool, und wenn jemand starb, war das einfach so. Nun stand ich da in meiner Ausbildung und bekam die neueste Medizintechnik an die Hand und ein Wissen, wie man diese Dinger bedient und was man sonst alles so wissen sollte. Wir alle wussten kaum, was uns da draußen wirklich erwartet. Aber wir wollten Menschen retten, das wussten wir nach ein paar Wochen. In meinem praktischen Jahr zum RA hatte ich dann das erste Mal wirklich Kontakt zu Menschen, die uns trotz unseres geballten Wissens und der modernen Technik unter den Händen weggestorben sind.

Manchmal dachte ich dann: „Jetzt „kann“ ich so viel, aber trotzdem sterben die!!“  Je mehr ich aber in diesem Beruf gearbeitet habe, desto mehr kam die Ernüchterung. Wir können noch so schnell am Einsatzort sein, bestens ausgebildet und ausgerüstet sein, wir retten in unserem Leben im klassischen Sinne vielleicht nur 1 oder 2 Menschen. Wieso nur so wenig, werden sich vielleicht einige fragen!? Tja, wie sagte ein damaliger Dozent meiner Schule: „ Wir sind eigentlich nur die Unterstützer, der Mensch muss eigentlich selbst das meiste dazu tun, um weiterzuleben“. Und damit hat er den Nagel auf den Kopf getroffen.

Aber wollen wir auch jeden Menschen retten, der schwerstkrank oder tot vor uns liegt!? Ich sage nein, denn auch ein Mensch hat das Recht in Frieden zu sterben oder keine lebenserhaltenen Maßnahmen zu wollen. Da wird auf 94-jährigen Menschen herum gedrückt, die schon seit 5 Jahren als Vollpflegefall im Bett liegen. WTF?? Wem tun wir damit einen Gefallen? Unserem Gewissen, damit wir sagen können, wir haben es wenigstens probiert!? Das Sterben gehört zum Leben einfach dazu, auch wenn es manchmal für uns und besonders für die Angehörigen tragisch ist, einen Menschen zu verlieren. Wir sind weder Gott noch Helden, nur weil wir diesen Beruf machen. Wir helfen und unterstützen dort, wo wir es können und alles andere liegt nicht in unseren Händen.

Was Kormark auch noch anmerkte, war, das uns Einsätze manchmal bis in den Schlaf verfolgen. Ja, auch das tun sie, auch wenn wir für uns akzeptiert haben, das wir nicht jeden „retten“ konnten. Ein Einsatz, den ich hatte, hat sich intensiv bei mir und den beteiligten Kollegen eingebrannt. Damals hätte ich mir gewünscht, diesen Patient  mithilfe einer Reanimation „retten“ zu können. Aber es ging einfach nicht. Unser Patient wurde nur 40 Jahre alt…

18 Kommentare leave one →
  1. 1. Oktober 2010 16:25

    so genau habe ich über dieses thema noch nie nachgedacht. allerdings war ich auch immer der meinung das man (wie du auch beschrieben hast) so alte leute vielleicht einfach gehen lassen sollte und die tortur einer lebensverlängerung ersparen sollte – jeder muss mal gehen. was wäre die welt wenn keiner stirbt? „was wäre ein leben ohne tod“? (zitat: die toten hosen).

    natürlich will man einen menschen nicht sterben lassen vorallem wen man mit diesem menschen zu tun hat/dazu gerufen wird. aber du, ich und die anderen sind auch nur menschen und sind leider nicht gott. wir können nicht wie jesus einfach die hand auf den patienten legen und *bumm-bumm* das herz schlägt wieder. wir können die hand drauflegen, drücken und beatmen…

  2. Maxi permalink
    1. Oktober 2010 17:06

    Interessanter Bericht. Ich empfinde diesen 1 Menschen, der das Krankenhaus auf eigenen Füßen nach einer (deiner) Reanimation(en) verlassen konnte ausreichend Lohn für euren täglichen Einsatz. Wer weiß, wie die Statistik aussieht, wenn es keine RAs und NAs gäbe.

  3. TheMaRv permalink
    1. Oktober 2010 20:49

    Also ich muss so sagen das du da außerordentlich Pech hattest.
    Meiner Meinung nach ist es Schicksal ob der Patient überlebt oder nicht. Man kann noch so gut ausgebildet und ausgestattet sein, im Endeffekt ist es Schicksal. Es gab bei uns auf der Wache jemanden der bei Reanimationen einfach Wahnsinnig erfolg hatte. Er hat von 5 Fällen 3 wiedergeholt, davon laufen 2 jetzt wieder durch die Stadt. Wir haben ihm dann den Spitznamen „Reanimator“ gegeben.
    Meine „jüngste“ Reanimation war 34. Er hatte eine Vorerkrankung wo die Frau nicht mal wusste was es ist. Angeblich wurde er auch von irgendeinem Proffessor behandelt usw.
    Wir waren innerhalb von 2 Minuten vor Ort und haben mit der Reanimation begonnen.
    Nach 60 Minuten hat der Notarzt dann abgebrochen. Einfach keine Chance.
    Anders wiederum bei einem Patienten ca 55 mit blutender Halswunde.
    Nach 45 Minuten drücken war sogar wieder Peripher Puls tastbar. Quasi im letzten Zyklus bevor der NA abbrechen wollte. Wenn man mal davon absieht das er eine Hirnverletzung hatte, daher jetzt nur noch bedingt ansprechbar ist, geht es ihm wieder gut.

    Das ist alles Schicksal. Wenn das Schicksal nicht will das derjenige überlegt haben die besten keine Chance…

  4. 1. Oktober 2010 21:28

    Schön geschrieben. Das sehe ich auch so. Ein würdiges Sterben ist von uns unbedingt zu respektieren.

  5. Avialle permalink
    2. Oktober 2010 09:50

    Dito zu allem! Das 95jährige Omchen hat echt nichts davon und zum Glück sehen immer mehr Angehörige das auch so, es gibt meiner Meinung nach auch mehr Patientenverfügungen als früher. Leider sind Wirtschaftskrisen und Geldknappheit auch Zeiten, in denen die Angehörigen gerne mal klagen, auch wenn aus ethischer Sicht alles richtig gelaufen ist.
    Hab ich dir mal von der Notärztin erzählt, die verklagt wurde, weil bei der erfolgreichen Reanimation das Hemd zerrissen wurde und die Stellen, an denen die Klebepaddles waren, noch 3 Tage lange gebrannt haben? Wenn „der eine“ es einem auch noch so dankt, zweifelt man echt manchmal an seinem Beruf.
    Aber in 3 Wochen ITS hatte ich gleich 2 Anfang 20jährige Motorad-Verunfallte mit Polytrauma, die wirklich nur überlebt haben, weil der RD so schnell da war. In der Pampa wären die wohl im Straßengraben verblutet (einer hatte Milz- & Leberruptur, der andere offene Frakturen und Hirnblutungen). Für diese Leute lohnt es sich was ihr jeden Tag leistet!
    Toller Beitrag – fühl dich gedrückt!:)

  6. Begleitung permalink
    2. Oktober 2010 10:02

    Zu dem Inhaltlichen wurde schon viel gesagt… ich möchte dir an dieser Stelle ein Kompliment machen, denn man merkt wirklich, dass du dich stilistisch immer weiter verbesserst 🙂 Es hat mir viel Freude bereitet, deinen Artikel zu lesen!
    Fühl dich ganz fest umarmt! Bis später 🙂

    • 2. Oktober 2010 10:35

      @Begleitung

      Tja, was wären meine Artikel, ohne deine Arbeit im Hintergrund!? Danke für das Kompliment

      @Avialle

      Vieles bekommen wir und auch ihr nicht wirklich gedankt. Es sind wenige Einsätze, die das alles wieder auffangen. Auch dir danke für das Kompliment 🙂

      @TheMarv

      Ich glaube wenig, dass das mit Pech zu tun hat. Das Leben, und gerade das im Rettungsdienst ist keins wie auf dem Ponyhof. Ich für meinen Teil möchte auch nicht unbedingt vom Schicksal sprechen, denn das Leben beinhaltet nun mal, das Menschen auch sterben. Und natürlich ist das für mich und meine Kollegen manchmal nicht einfach. Aber ich habe mir diesen Beruf ausgesucht.

      @ichbinines

      Nein wir sind nicht Gott, und wie gesagt wir können nicht jeden „retten“.

  7. gr3if permalink
    2. Oktober 2010 14:08

    Was soll man sazu sagen?

    Super Ansatz der leider viel zu wenig gedacht wird….

    Rettungsdienst…. Ich finde man sollte das ganze nochmal anders zu Ende denken. Warum reanimiere ich Pflegebedürftige Leute im Pflegeheim die seit 5 Jahren kein Wort mehr gessagt haben? Warum muss ich mich hinterher vor Gericht rechtfertigen weil Angehörige meinen ich hätte zu wenig getan?

    Rettungsdienst gerne für Unfälle aller Art, Brände, oder mal anders gesagt „unvorhergesehenes“ Gerne auch zum tragen nach einer Krankenhausbehandlung.

    ABER! Leben und Leben lassen sollte einfach eine Grundvorraussetzung werden in diesem Staat wo alle denken man kann locker 120 werden -.-

    Paul Danke. Ich hoffe, dass sich an der allg. Situation nochmal etwas ändern wird.

    • 2. Oktober 2010 23:55

      @gr3if

      Danke…. Ich frage mich wirklich oft, wieso ich zu einer Reanimation ins Pflegeheim fahre, und das passiert nicht gerade selten!! Niemand dort möchte die Verantwortung dafür übernehmen, lieber den Rettungsdienst rufen und die Verantwortung abtreten.

      @Miki

      Ja wo zieht man diese Grenze!? Frag 5 Menschen und du wirst 8 Meinungen bekommen. Wenn man schon in Deutschland nicht sterben darf, dann ist der Weg dorthin, nicht mehr jeden zu reanimieren noch lang, und ich glaube sogar, erleben werd ich das wohl nicht mehr.

      @Hesting

      Willkommen auf meinem Blog. Ja wir verlängern im Rettungsdienst Leben. Natürlich kann ich dich verstehen, der sagt, wenigstens hatte ich noch 2 Wochen etwas von meinem Opa. Die Frage ist aber, was hat dein Opa wirklich davon gehabt!?

  8. 2. Oktober 2010 16:05

    Was alte Menschen betrifft: früher wurden sie eben mir dem großen schwarzen Auto weggefahren. Heute bekommen sie noch einmal eine rasante Fahrt mit Blaulicht, werden auf den letzten Metern (ihres Lebens) noch gepiekt und mit Schläuchen bestückt… das ist nicht schön. Das Sterben und die Akzeptanz haben die Menschen „verlernt“. Den Preis für die wenigen (glücklich ) geretteten zahlen die „Unglücklichen“, die man nicht in Ruhe sterben ließ. Doch wer will da die Grenzen ziehen?

  9. Mr. Gaunt permalink
    2. Oktober 2010 20:33

    Schade, dass von den Reanimationen letztendlich (also ein paar Monate später) doch nur wenige erfolgreich sind. Da hätte ich mehr Erfolgsquote erwartet und kann verstehen, dass dies für einige Rettungsdienstler frustrationsfördernd ist.

    Ich stimme wie die Vorredner zu, dass man nicht auf Teufel komm raus jeden reanimieren muss, der sein Leben schon zu Ende gelebt hat.

    Was noch nicht so aufgegriffen wurde: Was ist denn Leben retten? Nur Reanimation? Ich denke nicht. Viele Leben werden gerettet, weil sie die mittlerweile selbstverständliche Standardbetreuung bekommen, z.B. nach einem Unfall, die sonst nicht überlebt hätten. Und da machen Rettungsdienstler auf jeden Fall einen lebensrettenden Job.

  10. 2. Oktober 2010 22:48

    Wäre „das Leben verlängern“ das richtige Wort?
    Den Angehörigen noch etwas Zeit mit dem Patienten zu spendieren?

    Mein Opa ist zwei Wochen nach seinem zweiten Schlaganfall gestorben. Ohne die moderne Technik (und etwas Glück) hätten wir mitten in einer Familienfeier einen Trauerfall gehabt.
    Ich bin im Großen und Ganzen Deiner Meinung, aber auch froh, daß es in unserem Fall „nicht so schlimm“ war. 😉

  11. nadi permalink
    3. Oktober 2010 11:25

    Hmm… Ich glaube, solange es Leute gibt, die sich nicht von dem Gedanken, dass ein lang gepflegtes, altes Familienmitglied nun sterben muss, „abfinden“ können, wird es immer noch der Fall sein, dass du und ihr in Altenheime zu den Reas von wirklich alten Ömchen und Opas gerufen werdet. Ich hab auch schon oft drüber nachgedacht, wie ich in solchen Situationen entscheiden würde… Ich glaube das ist so vom Moment abhängig, in der Situation denkt kein Mensch darüber nach „Ist er jetzt alt genug? Soll ich doch den Rettungsdienst rufen oder ist es okay jetzt zu sterben?“ etc. Ich glaube in solchen Moment überwiegt eher die ganze Flut an Gefühlen, auch wenn man sich das oft nicht eingestehen mag, aber Menschen, die miteinander im argen lagen, oder Menschen, die glauben, sie haben mit dem Patienten und nun Sterbenden irgendwas verpasst, irgendwas nicht geklärt, ich glaube, denen ist es egal, denn die fackeln nicht lange um die Entscheidung. Vielleicht kann man es ja noch klären. Wenn der Patient ein ganz junger ist, dann ist es sowieso klar, dass Angehörige nie sagen wollen würden „Soll wohl so sein, da ist die Lebenskerze eben jetzt schon abgebrannt…“, sondern da will und muss noch gekämpft werden, das geht doch nicht. Dass früher durchaus viele Leute mit 35, 40 Jahren schon sterben mussten, das wird ausgeblendet, denn wir leben ja in einer Zeit mit Super-High-Tech – Medizin, da geht alles und wir haben es alle verdient, lang zu leben…. Und ich denke, so oft es nun auch schon immer und überall gesagt wurde, es ist das falsche Bild, das die Menschen von der Medizin und vom Rettungsdienst haben. Ich hab hier und da zwickt es und so, aber da MUSS man doch was machen können! Viele Leute haben es vermutlich auch noch nicht verstanden, dass nicht der Rettungsdienst die erfolgreiche Reanimation macht, sondern der Patient. Wie soll man das auch erklären? Betroffene interessiert es nicht, wer mehr dazu beitragen sollte, es soll doch einfach nur funktionieren! Und weil Medien und das Fernsehn vermitteln, dass mal eben reanimieren doch ein Kinderspiel ist und nach 3 mal Drücken schnellt der vorher Tote in die Höhe – tja, dann wird sich an dem Denken so schnell nichts ändern… Aber wenn ich ehrlich bin, wüsste ich nicht, wie man nun was daran ändern könnte. In Erste-Hilfe-Kursen heißt es ab und zu so schön „Schau, tot ist er sowieso, wenn du nix tust, dann bleibt er’s auch; aber wenn du was tust, dann kann sich das ändern.“ Es müsste eher heißen „…dann KANN sich das ändern.“ Wäre es besonders förderlich, auch gleich mit Fakten zu kommen? Ich meine, nen Erste-Hilfe-Kurs macht fast jeder mal, da schlägts bestimmt ein wie ne Bombe, wenn man stattdessen lieber mal erklären würde, wie viele von 100 Reanimationen denn laut Statistik erfolgreich verlaufen, und was „erfolgreich“ alles heißen kann. Wär ja supi, aber wirklich so gut? Denn dann kann ich mir vorstellen, dass die meißten sich denken „Jaaa, wenn et nix bringt, wofür mach isch dat überhaupt?“ und dann wären wir wieder beim ersten Statement… Man steckt halt nicht drin, wie wann etwas läuft, und ich glaube das ist einfach das Problem; das überschätzt jeder, und zwar maßlos. Zeiten haben sich eben geändert, und ich gebe zu, wenn ich nachts mal wach werde oder wach liege und draußen mal wieder den RTW vorbeidonnern höre, auf die Uhr schaue, und dann feststelle, dass es wieder mal zwischen 1 und 4 morgens ist, dann frage ich mich auch – Warum schlafen die Leute um diese verdammte Zeit nicht wie jeder andere normale Mensch? Früher sind sie im Schlaf gestorben, mal friedlich eingeschlafen, mal eben auch eher nicht, egal… selbst das wird den alten Menschen heute nicht mehr gegönnt, und dafür, dass da gerade mal wieder einer armen Socke, deren Zeit einfach gekommen war, hübsch alle Rippen gebrochen werden, müssen die armen 2 bis 4 da auch noch rausfahren. …. Manchmal bedauer ich die Rettungsmenschen einfach. Denn es ist ja irgendwie der Lauf der Dinge, dass man an die Sache anfangs total motiviert rangeht, es wird bestimmt kaum einen geben, der sich nicht sagt, „Mensch, jetzt bist du so weit und kannst Leben retten!…“ und so denkt wie du auch, lieber Paul. Und irgendwann frustriert feststellt, wie die Dinge wirklich sind und wer eigentlich wirklich „den Unterschied“ macht… Aber ich hab schon ein paar Mal mitbekommen, wie es dann erst mal beflügelt, wenn man mal eine erfolgreiche Begegnung dieser Art hatte 🙂 Die beiden haben unheimlich gestrahlt, als sie erzählten, wie sie privat auf einem großen Volksfest ( 😉 ) in der Gegend waren, und unter Kollegen einen Geburtstag gefeiert haben, mit 6 RAs und 2 RS an einem Tisch, als plötzlich irgendwer um Hilfe rief, und dass dort ein Mann einfach von der Bank gefallen wäre. Also wurde schnell eine Laienrea (welch Ironie, aber so ist es doch nun mal! 🙂 ) angeleiert, bis der RTW am Platz war, dann flogen in regem Getümmel Gerätschaften, Täschchen und Utensil…. Ein paar Wochen später kam die Einladung für alle Beteiligten zu einer kleinen Feier in einem Restaurant, für die der Besucher des Volksfestes extra noch mal angereist war, topfit. 🙂 Natürlich wussten alle, dass es nicht an ihnen allein lag, aber stolz waren sie trotzdem alle, und ich kann’s ja auch verstehen. 🙂 Kann mir vorstellen, dass das wirklich mal ein kleiner Lichtblick ist.

  12. 3. Oktober 2010 14:22

    Hier sind jetzt in den Kommentaren Begriffe gefallen wie Frustration, „Leben verlängern“, Erfolgsquoten, Akzeptanz, Grenzen, Ethik, „würdiges Sterben“, Schicksal, „einfach gehen lassen“, …

    Wie Paul schon gesagt hat verändert sich die Einstellung des Rettungsdienstpersonals mit der Zeit bzw wachsender Erfahrung. So geht es mir zumindest ähnlich wie Paul. Wir arbeiten nach wie vor in einer absoluten Grauzone, bewegen uns immer mit einem Fuß im Gefängnis, müssen immer wieder über Leben oder Tod entscheiden und oft genug auch die Entscheidungen anderer (Hausärzte, Pflegepersonal, Angehörige,…) ausbaden. Was genau ist würdiges Leben? Was genau ist ein würdiges Sterben? Wo muss man die Grenze ziehen und einfach irgendwann mal sagen, dass der Patient es jetzt einfach „verdient“ hat, zu gehen?

    Wenn ich zum wiederholten Male in ein Pflegeheim gerufen werde zu einem Patienten knapp an den 90 Jahren, seit Jahrzehnten im Pflegeheim, Schwerstpflegefall, seit Jahren nicht mehr ansprechbar, jetzt zum xten Mal wieder eine Pneumonie, AZ-Verschlechterung oder ähnliches hat, das Pflegepersonal oder die Angehörigen nur meinen „Man kann ihn ja nicht einfach so hier liegen lassen“ und wir dann zusehen müssen, dass er uns durch den Stress der Umlagerei und des Transportes nicht im RTW verstirbt, frage ich mich immer wieder, was ich da eigentlich mache. Patienten im finalen Stadium von Krebs, Leberzirrhose oder was auch immer, bei denen die Anweisungen von Hausärzten oder Angehörigen täglich wechseln. Mal heißt es, es ist genug, am nächsten Tag sollen sie dann doch nochmal ins Krankenhaus,…

    Eigentlich steht es uns nicht zu, über Leben oder Tod zu entscheiden. Das darf eigentlich nur ein Arzt. Und bis zu dieser Entscheidung müssen wir theoretisch alles tun, um das „Leben“ eines Patienten zu retten, auch wenn man sich immer öfter fragt, ob das nun richtig ist, was man da macht, oder nicht. Gerade bei Reanimationen haben wir ohne Ersthelfer eigentlich kaum eine Chance und selbst mit erfolgreicher Laienrea sind die Erfolgsaussichten je nach Vorerkrankungen des Patienten doch äußerst dürftig.

    Aber wir sind der Rettungsdienst und von uns erwartet man, dass wir „retten“, was zu retten ist. Dass wir dabei aber auch auf Mithilfe, Mitdenken und (lebenswürdige) Entscheidungen von Angehörigen, anderem medizinischen Personal, Laien und letztlich dem Patienten selbst angewiesen sind und es ohne diese Mithilfe oft eigentlich nicht funktionieren kann, verstehen leider die wenigsten.

  13. firefox05c permalink
    3. Oktober 2010 21:16

    Wir haben bei unseren Einsätzen schon so einige Patienten, die eigentlich schon lange kein lebenswertes Leben hatten, gehen lassen. Wir sind nicht Gott und können nicht alles.
    Andererseits sollte man jemanden, der auch nur vielleicht eine Chance hat, ihm diese auch geben. Paradebeispiel: Ich habe mal eine 25jährige reanimiert. Etwa 1 Jahr später hatte ich einen erneuten Einsatz bei ihr: Infolge ihres Herz-Kreislauf- Stillstandes hatte sie einen Defi implantiert bekommen, der nun auslöste. Sie lebte also mit hoher Qualität durch unsere Rea weiter.
    Alleine dieser eine Fall ist Grund genug für mich, immer wieder einzugreifen.
    Ein anderer Gedanke: Wie definiert man „Leben retten“? Ist es nur die Reanimation? Oder kann man durch das einfache Spritzen von Glucose auch schon „Leben retten“? – Mit Sicherheit. Und dann sieht die Bilanz schon ganz anders aus.

    • 3. Oktober 2010 21:27

      @Firefox05c

      Schön, das du den Weg auf meinen Blog gefunden hast. Natürlich gibts diese schönen Beispiele, das wir wirklich erfolgreich reanimieren. Aber wieoft fangen wir denn an, wo wir es eigentlich besser wissen müssten. Natürlich greife ich auch ein, aber ich erlaube mir, auch mal nicht anzufangen. Natürlich bewege ich mich damit auf dünnem Eis, aber im zum Wohle meines Patienten.
      Ich finde das mit der Glucose auch nicht retten..sondern wir helfen..hört sich für mich besser an, aber da hat auch jeder eine andere Meinung.

      @Chris

      Danke für deine Worte. Ich finde du hast es wie finde sehr gut beschrieben.

      @Nadi

      Natürlich dürfen die Kollegen stolz auf sich sein, und ich finde die Geste auch sehr gut, aber wie oft passiert das denn? Aber das sind genau die Einsätze, die für mich und viele andere das salz in der Suppe sind. Aber auch das von herzen kommende Danke ist für mich auch das Salz in der Suppe.

  14. 4. Oktober 2010 21:21

    Ich finde den Beitrag wirklich klasse geschrieben. Alles andere wurde schon gesagt und ich kann mich dem anschliessen, es wäre nicht sinnvoll alles zu wiederholen.

  15. ToWi permalink
    1. November 2010 13:38

    Vor einiges Jahren (das muss echt ewig her sein, den Fernseher hab ich vor 5+ Jahren entsorgt) habe ich mal eine Reportage über den Rettungsdienst der FW Hamburg gesehen.
    Da wurde auch genau dieses Thema angesprochen. Mir ist davon nur ein einziges Statement in Erinnerung geblieben.
    Ein Feuerwehrmann erzählte, das ihn eines Tages, als er Einkaufen war, eine alte Omi mit den Worten „Du hast mir die Rippen gebrochen – aber ich bin dir unendlich dankbar dafür!“ begrüßte.

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